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Konfessionen überwinden (FMD-Impulse 149)


Kurz nach meinem Dienstantritt in Uelzen habe ich auf Anregung von Klaus Eickhoff eine Konferenz in Stuttgart besucht. Zwar war ich bereits während meiner Ausbildung im Johanneum mit einer Vielfalt von Konfessionen und christlichen Prägungen konfrontiert worden, hier im Schwaben-Ländle verdichtete sich das aber noch. Und viele der jungen Erwachsenen waren überaus militant in ihren Positionen ...  Damals habe ich in meine kleine Taschenbibel das rechts unten abgedruckte Gedicht geschrieben, einschließlich der Fußmarke mit dem *.

 

Als jemand, der mit 19 Jahren völlig unbeleckt von christlicher Vorprägung zum Glauben gekommen ist, waren mir Konfessionen von Beginn an suspekt. Die Trennung der Kirchen hatte für mich etwas Unglaubwürdiges. Dabei unterschied ich damals nur „katholisch“ und „evangelisch“. Später, in die christliche Szene eingetaucht wie in ein fremdes Gewässer, sah ich mich hunderten Strömungen, Richtungen, Reinheits- und Frischegraden ausgesetzt. 

Versuche, Jesu Einheitswillen (Joh. 17,21) umzusetzen, habe ich kaum wahrgenommen. 

Im Gegenteil: Je länger und intensiver ich mich mit Theologie und Frömmigkeit auseinandersetze, desto mehr begriff ich, dass ich selbst Teil einer bestimmten Strömung war, eben der ‚lutherischen‘. 

Naja, mit Hermannsburger Akzent und dann mit einem Schuss ‚Hanstedt-Pietismus‘, wie Dr. Reinhardt Deichgräber es einmal nannte. 

Viele Jahre, eigentlich bis heute, fühle ich mich in bestimmten Regionen konfessioneller Gewässer besonders wohl. Andachten, die von Stille und liturgischen Elementen gekennzeichnet sind und Gottesdienste mit lebensnaher und verständlicher Christusverkündigung machen mein Herz weit. Möglicherweise habe ich selbst ja auch in Hanstedt solche Strömung mit geprägt.

Durch die Begegnung mit indischen Christen, der charismatischen Gemeindeerneuerung, aber auch sehr pragmatisch ausgerichteten Christen aus den USA, weitete sich mein Verständnis. Allerdings provozieren bis heute solche Begegnungen auch Abgrenzung: So wie einige von ihnen will ich und werde ich weder Theologie treiben noch mein Leben und meine Frömmigkeit gestalten. Persönliche Überzeugungen und vermutlich noch stärker eigener Geschmack spielen dabei ganz sicher eine Rolle. Und das ‚lutherische‘ kommt da keineswegs immer nur gut weg. Sich diktatorisch gebärdende Orgelmusik, unreflektierte Tauf- und Konfirmationspraxis, Kirche als religiöse Serviceanstalt, überzogenes Amtsverständnis von Klerus und Gemeindegliedern, Struktur- verliebtheit, klösterliche oder gemeindliche Weltfremdheit, Missionsresistenz weil ja schon alle Christen sind ... es gibt Vieles in meiner lutherischen Kirche, was mir so wenig gefällt wie das Papsttum und der Heiligenkult bei den Katholiken oder die emotionale ‚Geisteskeule‘ mit moralischer oder angeblich geistlicher Unterscheidung von schlechteren und besseren Christen bei Charismatikern oder evangelikalen Gruppen. 

 

Es hat sich allerdings etwas geändert in meiner Sicht von Einheit. 

Nach wie vor sehe ich sie als Willen unseres Herrn an und nicht als frommen Wunsch eines Ökumenebeauftragten! Und Sein Wille ist für uns Gebot. Und Gebote Gottes sind zu halten! Wie ein Stachel schmerzt diese Erkenntnis, wenn ich ihr wieder einmal nicht entspreche: Wenn ich müde lächle bei Gebeten, die ich als naiv oder theologisch daneben einstufe. Wenn ich es grässlich finde, wie sich AmtsträgerInnen hinter Verkleidungen und Rollen verstecken oder ihnen auch Bedeutungen zugeschrieben werden, die nach meiner Interpretation dem Priestertum der Gläubigen entgegen stehen. 

Wenn Macht ausgeübt und Menschen hin- und hergeschoben werden, statt dem Geist Gottes zuzutrauen, eine Lösung zu finden. Wenn in Indien gelogen und gestohlen wird, aber gleichzeitig in einer Sitzung dort wahrscheinlich mehr gebetet wird als hier während einer ganzen KV-Periode. Wenn sich Kirche um sich selber dreht und um Strukturen, Geld und Image. Ja, dann rege ich mich auf und möchte jede Menge Thesen zur Umkehr an die Tür von Gemeindehäusern und Landeskirchenamt nageln. Und dann grenze ich mich ab. Und ich merke, wie Einheit zerbricht, mich meine eigene Strömung mit sich reißt und mich von den anderen absetzt ...  

Gerade dann die Einheit zu bewahren und gerade dann Teil meiner Kirche zu bleiben, in tiefer Solidarität, das ist eine große Herausforderung.

Mir hilft dann sehr, wenn ich mir klar mache, was Einheit befördert.

 

1. Sich an die biblische Sicht zu erinnern,  dass Vielfalt ein wesentliches Merkmal von Einheit ist, bleibt nicht nur Aufgabe in unserer Gesellschaft, sondern erst Recht unter Christen. Gott hat uns alle verschieden gemacht. Das gilt auch für seine Kirchen.

Da liegt unser Reichtum. Viele Strömungen, aber nur ein Fluss. In jedem Wasser kann und darf sich jemand wohl fühlen. Auch mal rüberschwimmen, vermischen und aneinander stoßen. Aber alle sind „im Namen des Herrn unterwegs“. So verstehe ich Einheit und finde mich damit auf biblischem Grund (z.B. 1. Kor. 12).

 

2. Bleibt diese Einsicht aus oder wird sie nicht praktiziert, ist Polarisierung und Spaltung vorprogrammiert. Leider müssen wir das zur Zeit bei unseren indischen Partnern erleben. Dort geht es allerdings nicht um Theologie, sondern um Macht und Clandenken. Was auf der Strecke bleibt, ist die Glaubwürdigkeit. Die Nichtchristen wenden sich ab. Wenn Jesus es nicht einmal fertigbringt, seine Leute geschlossen hinter sich zu versammeln - dann hat er sichtlich versagt. Einheit ermöglicht Mission. Spaltung verhindert sie und konfessionelle Abgrenzung zerstört Vertrauen. 

Ich glaube, das ist nicht nur in Indien so, auch hier. Den missionarischen  Herausforderungen in einer pluralen Gesellschaft und globalisierten Welt können wir nur begegnen, wenn wir eins sind. An der Bewegung von Kirche2 schätze ich besonders dies: Da wird nicht mehr zwischen evangelisch und katholisch unterschieden. Da geht es gar nicht vordergründig um ‚Kirche‘. Da geht es um die gemeinsame Aufgabe der Mission. Und die funktioniert nur gemeinsam - und führt dann wiederum auch zusammen. Übrigens: Die Diakonie ist für mich Teil der Mission Gottes. Für tätige Nächstenliebe gilt das nämlich auch: Sie überwindet konfessionelle Abschottung.

 

3. Es hat etwas gedauert, bis ich mich damit nicht nur abgefunden, sondern auch darüber gefreut habe: Kirche ist tatsächlich der „Leib Christi“. Aber sie ist nicht der Leib des Auferstandenen, vollkommen und schön. Sie ist Leib des Gekreuzigten: Menschlich, klagend, voller Widersprüche und vorläufig. Aber sie hat ein Geheimnis: Christus, Gott selbst, ist in ihr zu finden.

Und das ist großartig! 

Wenn Einheit nicht gelingt, leben wir seinen Willen nicht und haben das Halten der Gebote (wieder einmal) nicht geschafft. Aber Christus ist bei den Sündern zu finden und gerade bei ihnen. Also auch bei den jeweils ‚anderen‘, denen, mit denen ich nicht kann und von denen ich mich so gerne unterscheide. Aber eben auch bei uns!

 

4. Jemand meinte: „Nie ist jemand so radikal wie mit achtzehn!“ Auch wenn die jungen Menschen in unserer Hausgemeinde heute meist nicht mehr so ‚ticken‘ wie ich selbst mit achtzehn - da ist was dran. Damals in Bernhausen und als junger Christusstreiter war ich wirklich radikal - aber auch im guten wörtlichen Sinn: Ich bin den Dingen ‚an die Wurzel‘ gegangen. Und habe das Übel mit Namen genannt und meistens auch ‚gewusst‘, wie es zu besiegen ist. „Tote Fische schwimmen mit dem Strom, lebendige dagegen!“ so lautete in jenen ‚wilden Jahren‘ ein Autoaufkleber. 

Heute bin ich etwas bescheidener geworden.  Nur wer differenziert, kommt dem Leben entgegen; wer nicht schwarzweiß malt, sondern bunt; wer nicht falsch und richtig proklamiert, sondern immer wieder sowohl als auch als Möglichkeit stehen lässt. 

Meine katholischen Freunde oder die Freikirchler, ja auch jene Erzlutheraner aus dem Landeskirchenamt: Sie alle sind vom Geist Gottes inspiriert. Sie alle bilden Christus ab, jede und jeder auf seine Weise. So denke ich heute. Und es geht sogar noch weiter: Mein Sohn hat eine tolle Frau geheiratet. Sie ist Bahai, gehört also einer anderen Religion an. Und wenn sie Muslima wäre? Ich wäre zwar nicht gerade froh, aber ich würde beginnen, Gottes Gaben im anderen Menschen zu entdecken. Und ich würde vielleicht noch ein Stück barm- und vor allem weitherziger in meinen Ansichten und erst Recht im Auftreten werden.

 

5. Vielleicht ist Einheit nur so zu erreichen, wie Jesus selbst es vormacht: Durch Gebet und Fürbitte (Joh. 17). Weil Einheit ohne Geist Gottes nicht möglich ist, kann nur Gott selbst sie bewirken. Deshalb betet Jesus.

 

Ja, es tut unbedingt gut, sich immer einmal wieder auch fremden und unbekannten Strömungen  auszusetzen. So lerne ich Gottes breiten und vielfältigen Lebensstrom kennen. Ich lerne, andere Menschen und eben auch andere Konfessionen zu schätzen - aber gleichzeitig freue ich mich umso mehr über die eigene Prägung. 

Ich selbst verstehe mich tatsächlich nicht zuerst konfessionell. Ich bin Christ. Zusammen mit allen meinen Schwestern und Brüdern weltweit. Jeder Konfession!

Und ich bleibe Christ, allerdings mit *.


10 Jahre Schöpfungsweg - Vortrag Jubiläumsfeier


Verehrte Damen und Herren,

 

danke für die vielen guten Worte. Es freut mich riesig, dass unser Projekt in den zehn Jahren seines Bestehens eine so gute Resonanz gefunden hat und unter dem Stichwort „Orte und Wege der Besinnung“ ein profiliertes Angebot für Menschen aus der Region und für Besucher wurde.

Was Frau Kaiser über den Künstler Werner Steinbrecher gesagt hat, kann ich nur unterstreichen. Werner war von Haus aus katholisch, hatte sich aber sehr von seinen Wurzeln entfernt. Zwei seiner Äußerungen gehen mir besonders nach: „Thema der Theologen ist der Glaube – Thema der Kunst ist jedoch der Zweifel!“. Das hat er gelebt. Gleichzeitig jedoch sagte er einmal zu mir: „Ich bin der erste, der den Auferstehungsweg gegangen ist.“ Er meinte das nicht nur physisch, sondern auch im geistlichen Sinn.

Ich denke, wenn wir nun das Jubiläum des Schöpfungsweges feiern, haben wir besonders dem Künstler Werner Steinbrecher zu danken.

 

Ich soll nun den guten Gedanken noch ein paar hinzufügen und inhaltlich etwas zum Schöpfungsweg sagen. Damals haben wir nicht nur die Bilder und den regionalen Weg gemacht, sondern ja auch ein Projekt mit viel Material für Gruppen, Gottesdienste und alle, die das Thema „Schöpfung“ angehen. Die Bilder werden in Gemeindegruppen angeschaut, im Konfirmandenunterricht und in Schulklassen. Es gibt sogar Prüfungsaufgaben im Abitur mit einem Bild des Weges. Zu all dem ist eine Broschüre erschienen, die Sie hier auch erwerben können. Dort lesen Sie viel zu den Hintergründen.

 

Auf den ersten Seiten habe ich etwas zu den Zielen des Schöpfungsweges geschrieben. Das ist ja wichtig: Was wollen wir damit eigentlich erreichen?

Dort steht natürlich auch: Es soll der Tourismus in der Region belebt werden. Einige sind hier, die vermutlich darin ein wesentliches Ziel der Besinnungswege sehen – Menschen in die Region zu locken und ihnen hier ein Angebot im Sinne eines „sanften Tourismus“ zu machen. Das ist natürlich legitim, zumal ich davon ausgehe, dass wir alle auch dies wissen: Wenn wir den Menschen wirklich etwas bieten wollen, dann kann es nicht darum gehen, etwas für uns selbst zu machen (unsere Betten voll, unsere Region bekannt) sondern wir werden etwas Gutes für unsere Gäste anbieten. Das sogenannte „Produkt“ muss stimmen, nicht nur dessen Vermarktung!

Für meine Kollegen aus Hanstedt und Hannover und mich selbst waren die Ziele beim Projekt der Besinnungswege deshalb auch nicht der Tourismus oder Ebstorf bekannter zu machen, sondern wir wollten inhaltlich etwas transportieren, was den Leuten etwas bedeutet und bringt.

 

In der erwähnten Broschüre habe ich deshalb 4 inhaltliche Ziele beschrieben.

 

1. Der Schöpfungsweg will motivieren, grundlegende Fragen zu stellen, darüber nachzudenken und miteinander ins Gespräch zu kommen.

 

Nichts ist besser, ein Bild für das Leben zu sein, als „Der Weg“. Er hat einen Anfang, Herausforderungen unterwegs und ein Ende. Er markiert die wichtigen Fragen unseres Lebens: Woher kommen wir? Sind wir nur ein Zufall? Oder ein Programm der Natur? Oder sind wir gewollt und geplant? Wohin gehen wir? Was ist Ziel meines Lebens? Was kommt danach? Was macht mein Leben unterwegs aus? Was ist sinnvoll, was nicht? Mit wem bin ich unterwegs in Weg-Gemeinschaft? In welchem Kontext lebe ich?

 

Über solche Fragen nachzudenken, lädt die Begegnung mit den Bildern und den kurzen Texten aus der Schöpfungsgeschichte ein. Man könnte auch sagen, es geht immer wieder um die Sinn-Frage. Der Begriff „Sinn“ kommt ja vom altdt. „sinnan“. Seine Bedeutung ist „gehen“, „wandern“. Also geht es um die Bewegung, um den Auszug, den Durchzug und die Ankunft. So hat Werner Steinbrecher seine Bilder konzipiert. Unten der vergangene Bereich unserer Herkunft, in der Mitte unsere Gegenwart und oben das, wohin es geht.

 

Ein gutes Beispiel dafür ist das Bild vom zweiten Tag: Israels Weg durch die Geschichte wird dargestellt. Auszug, Durchzug, Ankunft. Werner Steinbrecher teilte die Bilder nach dem „goldenen Schnitt“ auf. Woher wir kommen, wo wir uns jetzt bewegen und wohin wir gehen wird abstrakt und in Metaphern dargestellt. Dies bietet viele Anregungen zum Nachdenken und zu Gesprächen über die eigene Biografie. Es empfiehlt sich, den Weg mit mehreren zu gehen, zumindest mit einem Gesprächspartner. Immer wieder wird es dann um die persönliche Biografie gehen, um Freude, Leid, Angst und Hoffnungen.

 

Genau das will der Schöpfungsweg. Er will nicht eine Ausstellung sein, sondern vor allem ins Gespräch über wichtige Fragen des Lebens und unserer Existenz bringen.

 

2. Der Schöpfungsweg will das Gespräch über den Glauben an Gott als Schöpfer, Erhalter und Vollender der Welt anregen.

 

Wir nennen diesen Weg „Schöpfungs-Weg“, nicht „Naturpfad“. Geschöpfe werden geschaffen. Sie erfinden sich nicht selbst. Und wie werden sie geschaffen? Ja, möglicherweise durch Evolution. Die Welt-Sicht des Schöpfungsweges ist keine Anti-Naturwissenschaftliche. Auf der Tafel 4. findet sich z.B. der Kosmos als Universum dargestellt – und nicht als „Käseglocke“, wie er zur Zeit des priesterschriftlichen Schöpfungsberichtes ja gesehen wurde. Unten findet sich ein menschlicher Gen-Code – also ganz im Sinne moderner naturwissenschaftlicher Erkenntnisse. Oder am 5.Tag: Im Kreis zwischen Vögeln und Fischen finden sich die Abbildungen von Kieselalgen, den kleinsten Bausteinen, aus denen sich Leben entwickelt hat. Der Schöpfungsweg übernimmt also keineswegs überholte Weltanschauungen und baut kein Gegenüber von Naturwissenschaft und Glaube auf. Dies lag dem Künster und auch den Initiatoren absolut fern.

 

Entscheidend ist: Das Weltbild dieses Weges ist nicht zwei-dimensional mit zwei Bezugsfeldern – Mensch und Natur. So wird die Welt ja oft beschrieben: Wir Menschen und die Natur. Ob im Gegenüber, im Miteinander oder sogar im Gegeneinander – es bleibt oft auf dieser Linie: Ich - Du (oder ES).

Die Sicht der Welt als Schöpfung ist dagegen eine andere. Es ist eine sozusagen dreidimensionale Sicht: Der Mensch – die Natur - und der Schöpfer.

Von „Schöpfung“ zu sprechen hat immer religiöse Aspekte. Es geht nicht nur um die Beziehung auf einer Linie, sondern sozusagen um ein Dreieck: Ich - Du/Es - Gott.

Genau das ist es, was die biblischen Zeugen auch mit dem Schöpfungsbericht machen: Innerhalb ihres jeweiligen Weltbildes und ihrer Sicht von Natur beschreiben sie das Wirken eines Schöpfers, beschreiben den Anfang, den Durchzug und auch das Ende. Es geht also nicht um naturwissenschaftliche Statements, sondern um Verkündigung.

 

Die Bilder von Werner Steinbrecher stimmen in eben diese Verkündigung ein. Sie sind so etwas wie eine Bild-Predigt. Es geht darin immer auch um Gott, unsere Beziehung zu ihm und die religiöse Deutung unseres Lebens und unserer Welt. Und solche Gottes-Bezüge haben riesige Auswirkungen, die dann auch immer wieder auf dem Weg diskutiert werden.

 

Wir Menschen sind verantwortlich. Ja. Aber nicht nur der Natur und unseren Kindern gegenüber, sondern auch dem Schöpfer gegenüber. Es ist eben nicht „unsere“ Natur, unser Wald, unser Klima, unsere saubere Luft. Es ist Gottes Schöpfung. Und ER gibt vor, was er damit will und was damit passieren soll. Wir sind jemandem verantwortlich! Wir Menschen sind als Handlanger des Schöpfers eingesetzt. Unsere Rolle ist nicht (nur) Erkennen, Erforschen, Beherrschen und darüber zu verfügen, sondern die Natur erhalten und alles Leben zu schützen.

 

Werner Steinbrecher hat Gott auf allen Bildern als Kreis dargestellt. Der Kreis verbindet Auszug, Gegenwart und Zukunft. Besonders deutlich wird dies beim Bild vom Sabbat an der 7. Station. Hier füllt das Göttliche nun ganz die Mitte und es geht um die Begegnung mit Gott (das Eierfarben-Weiß ist übrigens Symbolfarbe für die Gegenwart Gottes). Auf eben dies zielt der ganze Weg: Gott, unserem Schöpfer begegnen und über die Schöpfung und meine/unsere Gottesbeziehung nachdenken, ins Gespräch kommen und dankbar werden.

 

3. Der Schöpfungsweg möchte einen Beitrag zum Erhalt von Natur und Lebensräumen leisten.

 

Wann immer ich diesen Weg mit Gruppen gegangen bin, schwenkte der Blick vom Bild in die Umgebung. Nehmen wir als Beispiel die Station zum 3.Tag. Die Tafel steht mitten im Wald. „Erde“ steht darauf. Der Blick fällt auf Bäume und Blüten – im Bild und darum herum. Im Frühling freuen wir uns an frischen Blättern, zarte Blümchen stehen am Wegrand, auf dem Bild leuchtet ein Regenbogen ... Fast selbstverständlich kommt es zu Gesprächen über die Natur. Der Wald, der Wolf, die Bäume ... Was tun wir, die Natur zu erhalten? Was ist politisch angesagt? Wie können wir im privaten Bereich die Bemühungen zum Erhalt der Schöpfung unterstützen?

 

Besonders eindrucksvoll ist auch das Bild vom Menschen am 6.Tag. Mann und Frau sind eng verbunden, ja sogar eins. Die Einheit mit den Tieren ist unbestritten. Alles ist durch den göttlichen Kreis miteinander verbunden. Es heißt im Text „dass ihr herrschet“. Wir reden darüber, wie das gemeint sein kann. Auf jeden Fall sind wir Teil eines Ganzen, nicht nur Gegenüber. Und wenn wir dem Neuen Testament in seiner Bedeutung von „Herrschen“ folgen, dann kann diese Beauftragung nichts anderes bedeuten als „Dienen“.

 

In den ersten Jahren stand übrigens direkt gegenüber der Tafel an der Bahn ein Holzkreuz, geschmückt mit Blumen. Jemand hatte sich hier vor den Zug gestürzt und war gestorben. Wir kommen über den Menschen ins Gespräch. Was ist das Leben wert? Was macht es sinnvoll?

Es ist nicht von ungefähr, dass Bilder aus dem Schöpfungsweg in Schulbüchern zu finden sind. Der Weg ist eine Einladung, die Schöpfung, die Natur und sich selbst zu achten und zu bewahren.

 

4. Der Schöpfungsweg will zum Glauben an den in Jesus Christus Mensch gewordenen Gott einladen.

 

Eben ist es schon angeklungen. Der Schöpfungsweg hat unbedingt etwas mit dem Neuen Testament zu tun, also mit unserer christlichen Zeit. Und da wird eine große Nähe zum Auferstehungsweg deutlich.

 

Wer die Bilder betrachtet, merkt es schnell: In fast allen Bildern findet sich neben dem Kreis und der Drei-Teilung auch das Kreuz. Dies ist nicht Versehen, sondern Absicht. Schon vor der Schöpfung, mitten im Tohuwabohu, ist das Kreuz zu finden, dann ganz deutlich beim Menschen und vor allem bei der letzten Station, der Offenbarung des Johannes.

Ganz bewusst haben wir den Weg nicht nach dem vollbrachten Werk des Schöpfers enden lassen. Die Schöpfung hört nicht mit dem letzten Tag auf, dem Sabbat. Sondern Werner Steinbrecher zeigt eine Perspektive auf und wieder beginnen die Bilder zu „predigen“: Es ist eine Schöpfung mit Perspektive. Es ist nicht alles abgeschlossen und fertig. Die Vollendung wartet noch. Das Heil in seiner Fülle kommt erst noch.

 

Manchmal werde ich von Gruppen, die im Missionarischen Zentrum Hanstedt zu Gast sind, gefragt: „Welchen Weg sollen wir zuerst gehen?“ Ich antworte dann: „Den Inspirationsweg oder den Schöpfungsweg. Aber dann solltet ihr euch unbedingt auch den Auferstehungsweg gönnen. Er ist inhaltlich nicht länger, aber gewichtiger. Es kommen dort viel mehr biblische Texte vor. Aber er ist doch die Zielrichtung auch der anderen Wege. Der Auferstehungsweg Jesu ist der Grund aller Hoffnung!“

 

Das Verstehen des Ganzen von Ostern her ist für mich tatsächlich entscheidend für alles Inhaltliche der Besinnungswege. Durch Ostern bekommt unsere Welt eine Hoffnung und eine Perspektive. Ostern nimmt mir die Angst. Und nur Ostern und das „Aufsehen auf Jesus“, wie es in einer Liturgie heißt, vermittelt mir überhaupt eine Vorstellung von Gott.

 

Die Natur allein wird ja manchmal verklärt: Der kitschige Sonnenaufgang, das zarte Blümelein und die grüne Waldromantik. Mit solchen Verklärungen versucht uns die Werbung einzufangen und wir bauen uns selbst unsere heile Welt. Tatsächlich jedoch ist die Natur auch unendlich brutal. Fressen und gefressen werden. Der Stärkere überwindet den Schwachen. Oder die Natur erbebt. Wir haben es gerade in Indonesien erlebt: Die Erde bebt, der Tsunami vernichtet Städte, Träume und Menschenleben. Es stimmt, in der Natur finde ich einen reichen, großzügigen und unglaublich fantasievollen Gott. Ja, aber auch eine brutale, erbarmungslose und völlig unpersönliche Macht begegnet uns dort.

 

Wenn ich dagegen Jesus Christus anschaue und in allen Bildern auf meinem Lebensweg das Kreuz als sein Liebeszeichen entdecke, dann finde ich einen guten Vater, einen Gott der alles tut, damit seine Schöpfung wieder heil wird. Ich begegne einem Gott, der immer eine Perspektive hat – für mich persönlich, für uns als Menschen und Gemeinschaften und für diese gesamte Welt.

 

Falls Sie sich einladen lassen, einen der Besinnungswege zu gehen: Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass sie viele gute Gedanken, Erfahrungen und Gespräche erleben.

 

Hermann Brünjes


... und hier ein dritter ...


Tamen a proposito, inquam, aberramus. Non igitur potestis voluptate omnia dirigentes aut tueri aut retinere virtutem.