Was meint das wohl: Mein Ruhestand?


"Wie lange hast Du noch?" Ein befreundeter Pastor hat mich das vor einigen Jahren gefragt. Ich war verunsichert. "Was meinst Du," fragte ich, "zu leben?" "Nein, zu arbeiten!"

Ich wusste es nicht genau, hatte mir darüber weder Gedanken gemacht, noch einen Kalendereintrag.

Als ein anderer Bekannter mir in der gleichen Woche dieselbe Frage stellte, konnte ich zwar in etwa eine Zeitangabe machen, kam jedoch trotzdem ins Straucheln. So nah schon?

Ja, und dann? Was machst Du dann?

 

Diese Frage wurde erst in den letzten Wochen richtig akut. Vieles machte ich ein letztes Mal. Die wichtigsten Arbeitsfelder zu übergeben war angesagt. Schlimm war das vor allem dort, wo niemand in Sicht war, der es machen könnte. Inzwischen bin ich aber getrost, dass alles gut wird ...

 

Was wohl sicher ist: Nachdem mein Urlaub vorbei ist, die Indienreise im Januar erlebt und der erste Freiraum auch spürbar entsteht, wird es ein "Loch" geben. Vermutlich falle ich auch hinein und vielleicht kommt gar so etwas wie Langeweile auf. Und was sage ich? Darauf freue ich mich! Für viele Menschen ist Langeweile negativ besetzt. Für mich nicht. Mir geht es wie den Kindern: Erst wenn sie Langeweile haben und ihre Zeit nicht verplant ist, werden sie kreativ. Da wird auch mancher Blödsinn produziert - aber ohne solche Zeiten, wäre es wohl nicht zu dem gekommen, was wir "Kultur" nennen und "Kunst" und "Philosophie" und ... Ich bin mir gewiss: Im "Müßiggang" steckt unbedingt auch "Muße" drin. Und Muße setzt Kräfte frei - wie Sabbat oder noch besser Sonntag für eine neue Woche.

Ich bin gespannt.

Was mir nicht passieren soll und hoffentlich auch nicht wird: Dass ich Daseinsberechtigung und Wert von dem ableite, was ich tue, produziere oder sonst irgendwie leiste.

Eine meiner einschneidenden Erfahrungen als junger Diakon war der Besuch des Dasseler Bruderkreises. Viele Ruheständler, s.g. "Emeriti", aus meiner damaligen Sicht uralt, kamen dort zusammen. Mich hat erschreckt, was sie von sich berichteten: Sie erzählten stolz davon, was sie alle noch machten. 46 oder gar über hundert Gottesdienste im Jahr, mehrere Hauskreise ... Ich weiß nicht mehr was und habe auch nicht mehr hingehört. Was bloß predigten diese Männer Gottes? Die Rechtfertigung allein aus Gnaden konnte es ja wohl nicht sein - oder?

 

Damals habe ich mir vorgenommen, so nicht zu "enden", weder jetzt noch dann. Ich beziehe meinen Wert nicht aus meinem Wirken. Wenn auch so eine Homepage den Eindruck erwecken könnte, "Er kann's nicht lassen!" Und wenn manche (primär vermutlich Kollegen) diesen digitalen Auftritt auch als Ausdruck meiner Eitelkeit oder gar meiner Sehnsucht nach Anerkennung nimmt - ich selbst sehe das anders. Ja, ganz sicher steckt da viel Menschliches drin, wie überall, auch in der größten Demut (Zitat Frank: "An Demut übertrifft mich keiner!"). Aber nein, meinen Wert, meine Anerkennung und den Sinn meines Lebens beziehe ich aus dem großen JA Gottes. Nichts und gar nichts muss ich tun.

Aber ich will. Ich will nicht und ich kann nicht schweigen von dem, was ich gesehen und gehört habe. Und das hört nicht auf, wenn mein beruflich kirchlicher Auftrag endet. Vielleicht fängt jetzt ja sogar etwas Neues an.

Ich bin gespannt.


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