bedroht, geschlagen, vertrieben

 

Sumion Khora kommt aus Kudumulla Gumma. Er arbeitet mit den Bonda Adivasi. Es gibt in jener Gebirgsregion im indischen Bundesstaat Odisha etwa 250 Dörfer, davon sind erst 10 von Christen erreicht worden. In jedem davon sind 20-25 Familien zum christlichen Glauben konvertiert. Viele der Stammesleute tragen bis heute keine Kleidung, leben in sehr primitiven und immer wieder neu und woanders aufgebauten Hütten. Es ist schwer für sie, Nahrung zu finden, da sie nur vom Wald leben und ihr Lebensraum schrumpft. 10 einheimische Mitarbeiter, die Sumion im Laufe der Zeit gewonnen hat, arbeiten in diesen 10 Dörfern. Er selbst wohnt im Marktflecken am Fuß des Gebietes. Die Leute praktizieren ihre Naturreligion. Sumion erzählt: „Wir predigen und erzählen von einem sprechenden Gott. Er redet durch die Bibel. Wenn ihr nicht lesen könnt, lese ich für euch und Gott spricht zu euch.“ Seit 15 Jahren arbeitet er dort in einem Dorf. Den Namen Jesus kannten diese Leute vorher nicht. Damals ist Simeon mit freiem Oberkörper hinauf in die Berge gegangen, jetzt tragen die Leute selbst Hemden. Am Sonntag geht Sumion in die Berge und hält dort Gottesdienst, an den beiden Markttagen kommen die Stammesleute hinunter zum Marktflecken.

Sumion hat immer wieder Anfeindungen erlebt, nicht von den Adivasi, sondern von den nationalistischen RSS-Hindus. Einmal wurde er geschlagen und im Glauben, er sei tot, ließ man ihn liegen. Jemand fand ihn und hat ihn ins Hospital gebracht. Erst kürzlich wurde seine Tochter mit einem langen Stock geschlagen. Einmal ist derselbe Mann mit einem Messer gekommen, um ihn zu ermorden. Seine im Neubau befindliche Kirche wurde zerstört: Als die Seitenwände standen und sie am nächsten Morgen das Dach setzen wollten, waren die Wände zerstört.  

Eine kurze Begegnung, die nachdenklich macht.

Getroffen habe ich Sumion Khora (2. von rechts) und zwei seiner Kollegen in Visakhapatnam, in Andhra Pradesh. Dorthin waren 50 Evangelisten aus dem Gemeinde-Netzwerk freier Haus- und Familienkirchen in Odisha vor Weihnachten geflohen, um die Hindu-Fundamentalisten nicht zusätzlich zu provozieren und einer erneuten gewaltsamen Verfolgung aus dem Weg zu gehen. Inzwischen waren alle wieder zurück in ihre Dörfer nach Odisha gereist, nur Sumion und zwei andere kamen zurück, um uns von ihrer Situation zu berichten und eine kleine Hilfe des FMD in Empfang zu nehmen.

Mich hat die Begegnung nachdenklich gemacht, aus mehreren Gründen:

 

1. "Verfolgung" um unseres Glaubens Willen kennen wir nicht (mal abgesehen von einigen Jugendlichen und wenigen Erwachsenen, die als bekennende Christen beschmunzelt, verlacht und manchmal auch gemieden werden). Um Leib und Leben müssen wir nicht fürchten wegen unseres Glaubens. Unsere Kinder können die Schule besuchen und studieren, sie werden nicht verprügelt, nur weil ihr Vater Pastor ist. Man stört weder unsere Gottesdienste, noch zerstört man unsere Gemeindehäuser und Kirchen. "Kirche" ist eine, wenn auch immer weniger, anerkannte und gesellschaftlich wichtige Organisation und nicht Inbegriff einer bösen, antistaatlichen und kulturfeindlichen fremden Macht.

Wir werden nicht verfolgt, Gott sei Dank. Umso mehr gehören wir an die Seite jener, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden! Die Frage ist nur: Wie kann das konkret aussehen?

 

2. Sumion und seine Kollegen fühlen sich allein gelassen. Pastor Philip ist der Einzige, der sich um sie kümmert und versucht, ihnen zu helfen. Von den Großkirchen in Odisha (Es gibt dort katholische und evangelische Kirchen fast jeder Konfession!) merken sie nichts. Weder missionieren sie in der Region, noch helfen sie jenen Christen, die mit der Verkündigung des Evangeliums auf die Straße und zu den Menschen gehen. Der Vorwurf ist krass: Die großen Kirchen arbeiten nur in den großen Städten und unter ihren Mitgliedern. Von "gehet hin" kann keine Rede sein. Vor allem dies sehen diese Pastoren als Grund, dass in den Städten und ihren etablierten Kirchen von "Verfolgung" kaum etwas zu merken ist. Die Kirchen leben im Getto, diese einfachen Evangelisten und deren unzählige Gemeinden in zum Teil abgelegenen Regionen als von Christus Gesandte jedoch mitten unter den Menschen. 

Da frage ich mich schon, welche "Sorte" Christen wir in Deutschland eher verkörpern: Jene im Getto ihrer Gemeinden - oder jene als Boten Christi mitten unter den Menschen.

 

3. Auch Unterstützung von Menschenrechtlern und NGOs findet nicht statt. Zwar ist Indien stolz auf seine Verfassung und deren Passus zur Religionsfreiheit - aber sobald jemand die Religion wechselt (Konversion), wird es brenzlig - vor allem dort, wo die führenden Hindu-Nationalisten der BJP und ihrer militanten Handlanger der RSS aktiv sind. Die Polizei nimmt eine Anzeige nicht einmal auf: "Ihr selbst habt es provoziert!" 

Ich kann mir die Vorbehalte ausmalen: Diese meist jungen Männer haben allesamt eine persönliche "Bekehrung" erlebt, die ihrem Leben eine völlig neue Richtung gegeben hat. Nun ziehen sie los und erzählen von ihrem Glauben, mit der Bibel in der Hand. Viele haben nicht einmal die 10.Klasse abgeschlossen, niemand eine Bibelschule besucht geschweige denn Theologie studiert. Sie predigen, was Gott an ihnen getan hat. Von den NGOs werden sie vermutlich als religiöse Extremisten, Spinner und Sektierer einsortiert, von den Großkirchen wenn es gut geht als Pfingstler und evangelikale "wilde" Evangelisten. 

Und ich frage mich, wer solche Leute für mich und uns eigentlich sind? Nur weil sie anders predigen, glauben und missionieren als ich, sind sie verirrte Christen-Schafe? Nein. Sie sind meine Schwestern und Brüder. Und vielleicht haben sie den schmalen Weg unter ihren Füßen und ich und wir den breiten ...?

 

Gerne komme ich ins Gespräch mit Euch über diese Gedanken ...